Franz Kafka (1883–1924) war ein Prager Schriftsteller jüdischer Herkunft, der zu den einflussreichsten Autoren der Moderne zählt. Sein Name ist untrennbar mit seiner Heimatstadt Prag verbunden – einer Stadt, die ihn prägte und die er zugleich als „Mütterchen mit Krallen“ bezeichnete. Dieser Fachartikel beleuchtet Kafkas Biografie, seine Beziehung zu Prag und die Schauplätze in der „Goldenen Stadt“, die für sein Leben und Werk bedeutend waren. Historische, literarische, kulturelle und philosophische Perspektiven zeigen, wie Kafka und Prag sich gegenseitig beeinflussten und warum Kafka bis heute als „Diamant der böhmischen Kultur“ gilt.
Biografie: Leben und Werk von Franz Kafka in Prag
Herkunft und Kindheit
Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Seine Familie lebte an der Grenze zwischen der Prager Altstadt und dem jüdischen Viertel (Josefov). Kafkas Vater Hermann, ein erfolgreicher Galanteriewarenhändler, und seine Mutter Julie stammten aus deutschsprachigen jüdischen Familien. Entsprechend gehörte Kafka zum deutschsprachigen Bevölkerungsteil Prags, sprach aber auch fließend Tschechisch. Die Suche nach einer kulturellen Identität war für ihn nicht einfach – als Deutschböhme fühlte er sich weder ganz als Tscheche noch als Deutscher.
Kafka wuchs zunächst in der Wohnung über dem Geschäft seines Vaters auf. 1889 zog die Familie in das Haus „Zur Minute“ am Altstädter Ring, wo Franz mit seinen drei jüngeren Schwestern aufwuchs. Bereits in dieser Zeit verspürte Kafka die ambivalente Geborgenheit und Beklemmung Prags: „Prag lässt nicht los… Dieses Mütterchen hat Krallen“ schrieb er später über seine Heimatstadt – eine frühe Andeutung seiner Hassliebe zu Prag.
Schule und Studium
Kafka besuchte ab 1889 die deutsche Knabenschule am Fleischmarkt in der Altstadt. 1893 wechselte er – dem Wunsch des Vaters folgend – an das Deutsche Staatsgymnasium im Palais Goltz-Kinsky, direkt am Altstädter Ring. Dieses Gymnasium galt als streng und konservativ; viele Lehrer waren Kleriker, und die Klassen waren mit oft über 40 Schülern überfüllt. Kafka war ein ausgezeichneter Schüler, litt aber unter starken Versagensängsten und dem Leistungsdruck. In seiner Klasse gehörte er zu einer deutsch-jüdischen Mehrheit – etwa drei Viertel seiner Mitschüler waren, wie er, Juden. Zu seinen Schulfreunden zählten Hugo Bergmann, Paul Kisch und Oskar Pollak.
Nach der Matura 1901 schrieb sich Kafka an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag ein und studierte zunächst Chemie, bald aber Germanistik und schließlich Rechtswissenschaften. 1906 wurde er zum Doktor juris promoviert und absolvierte den einjährigen Rechtsvorbereitungsdienst am Prager Zivilgericht.
Berufsleben und literarische Anfänge
Im Oktober 1907 trat der junge Jurist seine erste Stelle bei der Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali an, deren Prager Büro am Wenzelsplatz lag. Kafka nahm die Arbeit zunächst hoffnungsvoll auf – nicht zuletzt, weil ihn die Aussicht reizte, zur Zentrale nach Triest „ans Meer“ versetzt zu werden. Doch der Büroalltag enttäuschte ihn schnell: Nach nicht einmal einem Jahr kündigte er im Juli 1908.
Bereits zum 1. Juli 1908 fand Kafka eine neue Anstellung bei der halbstaatlichen Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für das Königreich Böhmen in Prag. Dort war er bis 1922 tätig und machte einen soliden Karriereweg bis zum Obersekretär durch. Kafka bezeichnete diesen Bürojob oft als seinen „Brotberuf“ – er gewährte finanziellen Unterhalt, war aber nicht seine wahre Berufung. Dennoch prägte die Arbeit Kafkas Blick auf die Bürokratie: Tagsüber verfasste er behördliche Berichte und Unfallverordnungen, nachts ließ er ebendiese Welt in seine Literatur einfließen.
Parallel zu seinem Berufsleben begann Kafka literarisch zu schreiben. Schon als Schüler hatte er erste Texte verfasst (die jedoch verloren sind). Ab 1908 veröffentlichte er kurze Prosastücke in Zeitschriften; 1912 erlebte er einen schöpferischen Durchbruch. In der Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 schrieb Kafka in einem einzigen Marathon die Erzählung „Das Urteil“, wie er im Tagebuch begeistert vermerkte. Im selben Jahr entstand auch „Die Verwandlung“ – beide Werke zählen heute zu seinen bekanntesten Erzählungen. Kafka schrieb sie in seinem Zimmer der elterlichen Wohnung im Haus „Zum Schiff“ in der Niklasstraße (heute Pařížská).
Krankheit und Tod Im August 1917 erlitt Kafka einen ersten Lungenblutsturz – die Diagnose lautete Lungentuberkulose. Diese unheilbare Krankheit zwang ihn, immer wieder längere Kuren anzutreten. Ende 1917 gab er seine Wohnung im Palais Schönborn (Kleinseite) auf und zog zurück ins Elternhaus, da sich sein Gesundheitszustand verschlechterte. Während der folgenden Jahre wechselten Phasen produktiven Schreibens (1917 entstand z. B. der Briefroman „Brief an den Vater“) mit Zeiten der Rekonvaleszenz. 1922 nahm Kafka endgültig Urlaub von der Versicherung und ging 1923 mit seiner letzten Lebensgefährtin Dora Diamant nach Berlin, um dort frei von familiären Fesseln zu schreiben. Doch die Tuberkulose schritt voran, griff auf den Kehlkopf über und machte ihm das Essen und Sprechen nahezu unmöglich.
Im April 1924 kehrte Kafka in die Nähe seiner Heimat zurück, in ein Sanatorium bei Wien. Dort starb er am 3. Juni 1924 im Alter von nur 40 Jahren. Seine letzte Ruhe fand er wenige Tage später in Prag: Franz Kafka wurde am 11. Juni 1924 auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Prag-Žižkov beigesetzt. Sein schlichter Grabstein – den er sich mit seinen Eltern teilt – trägt hebräische Inschriften; eine später hinzugefügte Tafel gedenkt auch Kafkas drei Schwestern, die während des Holocausts ermordet wurden.