Prag gilt zwar als Stadt des Bieres, doch hat auch die Kaffeehauskultur hier eine lange Tradition. In den Prager Cafés wurden Geschichte geschrieben, Kunst erschaffen und Revolutionen geplant. Dieser Artikel beleuchtet die Wurzeln und die Entwicklung der Prager Kaffeehauskultur, stellt eine Übersicht der bekanntesten Cafés in einer Tabelle vor und widmet sich ausführlich drei besonders bedeutenden Kaffeehäusern – darunter das legendäre Café Louvre.
Prags Kaffeehäuser erzählen Geschichten. Ob im eleganten Louvre, im künstlerischen Slavia oder im prachtvollen Imperial – überall spürt man den Pulsschlag der Stadt und ihre reiche Kultur. Die berühmtesten Cafés in Prag sind nicht nur Orte zum Kaffeetrinken, sondern Bühnen der Geschichte, die bis heute bespielt werden. Wer Prag besucht, sollte mindestens eines dieser Traditionscafés betreten – um einen Hauch von Kafka’s Inspiration, Havel’s Freiheitsdrang oder Einstein’s Nachdenklichkeit inmitten von Kaffeeduft und Kuchensüße einzuatmen. In diesem Sinne: Na zdraví und Prost – auf die Prager Kaffeehauskultur, gestern wie heute.

Bekannte Prager Cafés im Überblick
Hier sind die berühmtesten Cafés in Prag aufgeführt
Cafés | Besonderheiten, Geschichte, berühmte Gäste | Webseite |
---|---|---|
Café Louvre | Eröffnet 1902; klassisches Wiener Kaffeehaus in Prag. Treffpunkt von Intellektuellen – u.a. Albert Einstein und Franz Kafka waren Stammgäste. Nach der Schließung 1948 Wiedereröffnung 1992; bekannt für erstklassigen Kaffee und hausgemachte Strudel. | Offizielle Webseite |
Café Slavia | Gegründet 1884; legendäres Künstler- und Literatencafé gegenüber dem Nationaltheater mit Blick auf die Moldau. Art-déco-Interieur, berühmtes Gemälde „Der Absinthtrinker“ von Viktor Oliva an der Wand. Stammgäste waren u.a. Rainer Maria Rilke und Václav Havel. | Offizielle Webseite |
Café Imperial | Eröffnet 1914 im Art-Deco-Imperial-Hotel; prachtvoller Jugendstil-Speisesaal mit originalen Keramikfliesen und Mosaikdecken. Früher Treffpunkt von Franz Kafka und Leoš Janáčektresbohemes.com, heute bekannt durch Starkoch Zdeněk Pohlreichs Restaurant. | Offizielle Webseite |
Café Savoy | Erstmals 1893 eröffnet; Jugendstil-Juwel mit sieben Meter hoher neo-renaissance Kassettendecke. Nach Verfall im 20. Jh. 2004 restauriert und wiederbelebt. Beliebt für opulente Frühstücke, hauseigene Bäckerei und die Atmosphäre der Ersten Republik. | Ambiente – Café Savoy |
Grand Café Orient | Einzigartiges kubistisches Café, 1912 im Haus Zur Schwarzen Mutter Gottes eröffnettresbohemes.com. Innenausstattung komplett im böhmischen Kubismus (Möbel, Lampen von Josef Gočár). Nach 80-jähriger Schließung 2005 wiedereröffnet; gilt als einziges Kubismus-Café der Welt. | Offizielle Webseite |
Café Montmartre | Legendäres Bohème-Café von 1911, auch „Kabaret Montmartre“ genannt. Treffpunkt der Prager Literatenszene – Franz Kafka, Max Brod u.a. verkehrten hier. Geheimnisvolle Geschichte mit Glücksspiel und nächtlichen Künstlerdiskussionen. Rustikales Ambiente, das bis heute an die Zwischenkriegszeit erinnert. | Tres Bohemes – Montmartre |
(Hinweis: Die obigen Links führen zu den offiziellen Webseiten der Cafés oder zu informativen Seiten über deren Geschichte.)
Prager Kaffeehauskultur: Ursprung und Entwicklung
Die Kaffeehauskultur Prags entwickelte sich im Schatten berühmter Vorbilder wie Wien und Paris. Zwar verbindet man Tschechien oft eher mit Bier, doch spielten Kaffeehäuser in Prag schon früh eine wichtige Rolle als urbane Treffpunkte. Als Prag im 19. Jahrhundert von einer Provinzstadt zur pulsierenden Metropole der Habsburgermonarchie aufstieg, stieg auch das Bedürfnis nach öffentlichen Räumen für Austausch und Freizeit.
Die Ursprünge: Den Legenden nach brachte ein gewisser Georgius Deodatus (auch bekannt als Gorgos Hatalah el Damascusi) um 1714 den Kaffee nach Prag. Er zog zunächst mit einem tragbaren Kaffeekessel durch die Straßen und servierte in Privathäusern, bis er schließlich im selben Jahr das erste Kaffeehaus nahe der Karlsbrücke eröffnete. Damit legte er den Grundstein für eine Tradition, die sich im 19. Jahrhundert rasant entfaltete.
Einflüsse aus Wien: Über drei Jahrhunderte lang war Prag Teil der Habsburger Monarchie, was die Kaffeehauskultur stark prägte. Die klassischen Elemente der Wiener Cafés – Marmortische, Thonet-Stühle, Kellner im Anzug und internationale Zeitungen – fanden sich bald auch in Prager Kaffeehäusern wieder. So gab es bereits 1820 ein „Vídeňská kavárna“ (Wiener Café) in Prag, das spätere Café Union, welches zum gesellschaftlichen Mittelpunkt avancierte. Wiener Flair verband sich mit böhmischer Geselligkeit.
Blütezeit um 1900: Um die Wende zum 20. Jahrhundert schossen elegante Grand Cafés in Prag aus dem Boden, ausgestattet mit Billardsalons, Lesezimmern und teilweise sogar Orchestern. In dieser Zeit wurden Cafés wie Café Slavia (1884), Café Louvre (1902) und Café Imperial (1914) eröffnet, die rasch zu geistigen Zentren wurden. Hier trafen sich Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler und Politiker zum Diskutieren und Debattieren bei Kaffee und Kuchen. Die Národní třida (Nationalstraße) entwickelte sich zur Hauptachse der Prager Kaffeehauswelt – an ihr lagen mit Louvre, Union, Nationalcafé und Slavia gleich mehrere prominente Adressen.
Umbrüche im 20. Jahrhundert: Nach dem Ende der Monarchie 1918 wandelten sich einige Cafés in ihrer Identität. So wurde aus dem k.u.k. Café Imperial das Národní kavárna (Nationalcafé), Treffpunkt der tschechischen Avantgarde. Während der deutschen Besatzung und später unter dem kommunistischen Regime hatten es die Cafés schwer: Viele wurden geschlossen oder enteignet. Das Café Louvre etwa wurde 1948 von den Kommunisten geschlossen, weil es als zu „bürgerlich“ galt. Café Slavia hingegen blieb sogar in den düsteren 1970er Jahren offen und diente Dissidenten wie Václav Havel als geheimer Treffpunkt.
Renaissance nach 1989: Mit der samtenen Revolution 1989 erlebten die historischen Kaffeehäuser eine Wiedergeburt. Mehrere Traditionscafés wurden renoviert und wiedereröffnet, oft in altem Glanz. So öffnete das Café Louvre Anfang der 1990er erneut seine Pforten, und auch das Café Slavia nahm 1997 nach längerem Rechtsstreit wieder den Betrieb auf. Heute sind Prags Kaffeehäuser lebendige Zeugnisse der Vergangenheit und zugleich beliebte Anziehungspunkte für Einheimische und Besucher. Sie verbinden nostalgisches Ambiente mit moderner Kaffeekultur – vom hippen Third-Wave-Coffee-Shop bis zum Jugendstilcafé mit Klavierspieler.
Die Prager Kaffeehauskultur ist heute vielfältig und lebendig. Neben trendigen neuen Cafés existieren immer noch die altehrwürdigen Literaten-Cafés mit roten Teppichen, Kronleuchtern und Kellnern in weißer Jacke. Sie alle tragen dazu bei, dass man in Prag an fast jeder Ecke ein Stück Kulturgeschichte bei einer Tasse Kaffee erleben kann.
Quellen und weiterführend:
- Sarah Borufka: A Prague institution – the famous Café Slavia (Radio Prague International, 2012)
- Prague City Tourism: Viennese Cafés in Bohemian Prague (Offizielle Seite prague.eu)
- Tres Bohemes: The Bourgeois Art Nouveau Cafés of Prague (2016)
- Copernico.eu: Prague Coffeehouse Culture around 1900 (Magdalena Eriksröd-Burger, 2022)
- Radio Prague International: Café Savoy – an Art Nouveau gem by the Vltava (2017)
- Offizielle Webseiten der Cafés (cafelouvre.cz, cafeslavia.cz, cafeimperial.cz) für historische Daten und aktuelle Angebote.